TRAU KEINEM ÜBER 30 – das sind 8 Fragen an junge Politiker*innen aus Deutschland und 1 GIF. Diesmal: Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/Die Grünen).
Kassem Taher Saleh wurde 1993 geboren und war damit zum Zeitpunkt dieses Interviews 28 Jahre alt. Er ist Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für den Wahlkreis 159 Dresden-Süd.
Dieses Ereignis hat mich in die Politik gebracht:
Meine persönliche Biographie hat mich schon früh politisiert. Ich bin in Plauen als geflüchtete Person in einem Asylheim aufgewachsen. Die schwierigen Umstände für mich und meine Familie, aber auch für all die anderen Geflüchteten, die ich in der Zeit kennenlernen durfte, haben mich bewegt und umgetrieben. Schon früh habe ich mich politisch und ehrenamtlich engagiert, u.a. als Schülersprecher und Schiedsrichter.
Das habe ich bereits bewirken können:
Ich habe auf ganz unterschiedlichen Ebenen etwas bewegt, beispielsweise kommunalpolitisch im Plauener Jugendparlament oder in der Schule als Schülersprecher, aber auch im Fußballverein, wo ich auch als Schiedsrichter ehrenamtlich tätig war. In der Hochschulzeit habe ich beispielsweise eine Initiative mitgegründet, die Patenschaften für benachteiligte Menschen im Bereich Bildungsarbeit organisiert hat. Jetzt möchte ich als MdB und Diplom-Bauingenieur besonders in der Baupolitik vorankommen und mich für eine ökologische und nachhaltige Bauwende einsetzen. Die brauchen wir, um die Klimakrise und die Biodiversitätskrise anzugehen. Ich möchte mich außerdem für die migrantische Community einsetzen, denn für viele von ihnen bin ich ein Role Model.
Das war meine bislang größte Niederlage:
Ich habe bislang zum Glück keine große Niederlage erlebt, aber viele kleine, z.B. mit den Beamt*innen, die mir und meiner Familie immer wieder Steine in den Weg gelegt haben, oder meine Lehrer*innen, die mir keine Gymnasialempfehlung nach der 6. Klasse gegeben haben. Auch auf dem Fußballplatz gab es immer wieder Menschen, die mich rassistisch beleidigt haben. Trotz allem war es nie eine Option für mich, aufzugeben. Ich wollte immer weitermachen und mich nicht unterkriegen lassen.
Mit diesen drei konkreten Maßnahmen würde ich die Gesellschaft verändern:
1. Demokratieförderungsgesetz
2. Stärkung des Bleiberechts inklusive Integrationskurse für alle ab Tag 1 unabhängig von Bleibeperspektive und Herkunftsland
3. Angleichung der Löhne von Ost und West inklusive Erhöhung des Mindestlohns auf 12€.
Das nervt mich an meinen älteren Parteikolleg*innen :
Speziell Abgeordnete von anderen Fraktionen wirken häufig so, als würden sie die jungen MdBs nicht ernst nehmen und als hielten sie sich für etwas Besseres, weil sie mehr Erfahrung haben. Da nervt mich. Alle MdB bringen unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen mit und gerade diese Vielfalt ist wichtig, um Politik für die Breite der Gesellschaft zu machen, gerade auch für die junge Generation.
Dafür respektiere ich meine politischen Gegner*innen:
Ich respektiere meine politischen Gegner*innen, wenn sie respektvoll und auf sachlicher Ebene debattieren, wobei das nur auf die demokratischen Parteien zutrifft. Ich finde es gut, wenn sie hilfreiche Beiträge leisten und gute Ideen voranbringen, damit wir gemeinsam die Gesellschaft voranbringen und sicherstellen, dass die wichtigen Veränderungen auch bei allen Menschen in Deutschland ankommen.
Dieses Erlebnis in der Politik ist mir besondes im Gedächtnis geblieben:
Meine Wahl in den Bundestag, genauer gesagt die Wahlnacht am 26.09. Das war eine unglaubliche Achterbahnfahrt mit einem sehr freudigen Ende. Das Echo, das ich danach bekommen habe, sowohl von meiner Familie und meinen Freund*innen, aber auch aus der Partei und aus Sachsen, aus Deutschland, aus der arabischen Community, sogar aus Kurdistan das werde ich für immer genau so im Kopf haben.
Mir ist nicht egal, dass…
Mir ist nicht egal, wenn Demokratie mit Füßen getreten wird und wenn Menschenrechte nicht respektiert werden, wenn Minderheiten ausgegrenzt werden, und wenn wir die Klimakrise nicht konsequent genug angehen. Wir müssen zu einer besseren und respektvolleren Gesellschaft werden.
Meine politische Karriere in einem GIF:
Fotos: Daniel Meißner
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